Von "Könnern" und Können

Von "Könnern" und Können

In der Babypause wurde dann die Zeit knapp, die wir für die Pferde auzubringen in der Lage waren. Um ihnen diese Phase angenehmer zu gestalten, hatten wir für unsere Miniherde inzwischen eine wunderschöne Wiese ind en Allerniederungen besorgt. In dieser Zeit bekam ich das Angebot einer Spanisch-"Reitlehrerin", den Schimmel eine Zeit lang zu übernehmen. Sie suchte ein Pferd als Ersatz für ihren laut TA mindestens ein Jahr lahmenden Hengst.

Wir waren der Meinung, das sei eine gute Idee. Durch ihre schulische Ausbildung zeigte sie viel Sachverstand in physiognomischen Bereichen. Und sie war überzeugt, Jouarez auch unter dem Sattel wieder desensibilisieren zu können. Der Stall war nett und übersichtlich, die Frau symphatisch. Also Jouarez aufgeladen und ins Wendland gefahren. Wieder zu Hause sassen mein Mann und ich zusammen, und grübelten, ob wir den richtigen Weg eingeschlagen hätten. Da erreicht uns eine SMS: "Euer Schimmel steht auf dem Auslauf uns ist gaaanz entspannt. Schickes Pferd, nur die Beine sind etwas lang". Beruhigt gingen wir diesen Abend ins Bett.

Die erste Zeit meldete sie sich häufig, berichtete Sachen wir "Das ist das erste Pferd, dass ich unterm Sattel habe, der komplett auf Bügeltritt ausgebildet ist" und ähnliches. Naja, etwas Positives hatte also die Geschichte: Nun wussten wir, warum er so "zickig" beim Reiten war. Das lief so ein paar Monate. Ich versuchte sogar, in ein paar Stunden Unterricht bei ihr zu lernen - aber das ist ein anderes Thema. Irgendwann aber meldete sie sich nicht mehr, ließ Termien platzten, reagierte nicht auf SMS-Anfragen und war auch nicht telefonisch erreichbar.

Kurzerhand setzten wir uns eines Morgens ins Auto und fuhren hin. Nach ettlichen Minuten Klingeln an der Haustür öffnete sie schließlich. Im folgenden Gespräch dann der Klopfer. Auf meine Aufforderung, wir möchten Jouarez sehen, erhielten wir die Antwort: "Nein, das will ich nicht. Er ist nicht geputzt". Ich dachte, mein Menne reisst ihr gleich den Kopf ab. Nach kurzem, aber massiven Geplänkel räumten wir ihr die Möglichkeit ein, den Schimmel zu putzen. Wir machten derweil einen Gassigang mit unserer Hündin. Den Anblick, der sich uns beid er Rückkehr auf den Hof bat, werde ich nicht vergessen. Noch heute mache ich mir Vorwürfe wenn ich daran denke, in welchem erbarmungswürdigen Zustand sich Jouarez befand. Also umgehend einen Hänger organisiert und den Wallach abgeholt.

Das gesamte Ausmaß wurde erst zu Hause sichtbar. Die Hufe bogen sich, Jouarez lief nur noch auf der Sohle, wo sich zwischenzeitlich Blutergüsse und Geschwüre gebildet hatten. Gut ein dreiviertel Jahr war unser Schmied fast Monat für Monat beschäftigt, ihn vorsichtig wieder zu korrigieren, um die Sehnen nicht zu überlasten. Natürlich hatte auch seine Psyche wieder einen Knacks erhalten und die in den Jahren zuvor aufgebaute Vertrauensbasis enorm geschädigt.

Als wir ihn dann auf die Wiese ließen und unsere drei sich wiehernd entgegen liefen, stand für mich eines fest: Von meinen Pferden geht keines mehr vom Hof. Ich hoffe, der Leidensweg für unseren kleinen Spanier ist nun endgültig vorbei.

P.S.: Nach den anfänglichen Rückschritten hat sich die Beziehung zwischen Jouarez und uns wieder extrem verbessert. Er steckt mittlerweile von selbst den Kopf ins Halfter, hat offensichtlich Spaß an der Bodenarbeit und auch die ersten Reitversuche (noch an der Longe) haben ihn nicht aus der Bahn geworfen. Vielleicht klappt es ja doch noch einmal mit dem Reiten - und wenn nicht, so ist er wenigstens Wurm und Mira ein echter Kumpel.